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Poetry Slam: Immaterielles Kulturerbe

Slambackgrounds von und mit Kolja Fach


Als Deutschland 2013 dem UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes beitrat war das erklärte Ziel die „Wertschätzung und Anerkennung überlieferten Wissens und Könnens“. Denn: Menschen singen, tanzen, erzählen, handwerken und schaffen auf diese Art und Weise Kultur, die sichtbar gemacht und anerkannt werden soll. Aber wenn der kulturelle Akt passiert ist, bleibt oft nichts Haptisches. Essen wird verzehrt, Worte enden, Musik verklingt, Applaus verhallt. Und trotzdem ist da etwas. Gefühl. Genuss. Brauchtum. Wissen. Das gilt es sichtbar zu machen und zu fördern. Seit 2016 hat auch Poetry Slam im deutschsprachigen Raum den Status des immateriellen Kulturerbes und zeigt damit (mal wieder) sein Gewicht innerhalb der deutschen Kulturlandschaft. 


„Das Besondere an immaterieller Kultur ist, dass sie sich stetig weiterentwickelt, also von Generation zu Generation praktiziert wird und dadurch lebendig“, erzählt Marlen Meißner, Abteilungsleiterin für Erbe, Kultur und Gesellschaft der deutschen UNESCO-Kommission. Die Öffnung des Kulturguts für Nachwuchs sichere deren Fortbestand, gleichzeitig sei die Möglichkeit zur Teilhabe verschiedenster Menschen für die UNESCO ein Kriterium für ein Kulturerbe. „Es ist wichtig, dass die Kultur partizipativ gestaltet ist, für alle gesellschaftlichen Gruppen, Geschlechter, Religionen und so weiter.“ 

Und wenn man um die internen Vorgänge der Poetry Slam-Szene weiß – die Nachwuchsförderung durch Workshops und U20-Wettbewerbe, die andauernde Awarenessarbeit bei Veranstaltungen und Festivals und die inhaltliche Vielfalt und der teils aktivistische Charakter der Texte – dann scheint Poetry Slam sich hier mehr als herausragend zu positionieren. 

Auch wenn die Aufnahme in das Verzeichnis nicht mit Fördergeldern oder besonderen Zuwendungen durch die UNESCO verbunden ist:  Sie bringt eine Menge Publicity und die kann jede Kunst-Szene gut gebrauchen.  „Wenn man sich jetzt zum Beispiel bei einem Fördermittelgeber bewerben würde, kann man auch mit dieser Eintragung eine Art Qualitätssiegel vorweisen“, erklärt Marlen Meißner. „Also mindestens die Bestätigung, dass es sich tatsächlich um immaterielles Kulturerbe handelt, weil das ja eindeutig von den Fachexpert*innen geprüft wurde. Das ist was, was uns immer wieder von Trägergruppen berichtet wird.“ Außerdem würden Trägergruppen Meißner immer wieder berichten, wie sehr der Bewerbungsprozess sie intern zusammengeschweißt und vernetzt habe. „Das ist ein total spannender Punkt. So ein Bewerbungsprozess heißt ja, man muss erstmal gucken, wer überhaupt zur Trägergruppe gehört, welche Vereine es noch gibt außer dem der Antragsteller und dadurch sind viele schon total happy mit der Bewerbung, weil sie sich nochmal richtig als Interessensgruppe konsolidieren konnten. Dadurch bekommt man diese Selbstvergewisserung, sich als Gruppe artikulieren und etwas bewegen zu können.“  

Marlen Meißner freut sich vor allem über den frischen Wind, der durch die Aufnahme von Poetry Slam in die Liste der Kulturerben kommt. „Was die Eintragung von Poetry Slam so besonders macht im Vergleich zu anderen Einträgen ist, dass das in der jetzigen Form eine sehr junge Tradition ist – also, wenn man es nicht grade auf mittelalterliche Minnesänger zurückführt oder so. Es ist eine junge und urbane Kulturerbe-Form und das ist etwas Besonderes, was eher eine Minderheit des aktuellen bundesweiten Verzeichnisses betrifft. Deswegen freuen wir uns auch immer sehr über den Poetry Slam als ein Beispiel dafür, dass Kulturerbe auch jung und modern sein kann.“ 



KOLJA FACH (*1998) steht nicht nur als Slammer

und Satiriker auf den Bühnen des Landes -

als Journalist bewegt er sich immer zwischen

Hochkultur, Underground, Politik und dem sozialen Leben.

So arbeitet er für den SPIEGEL in Hamburg, als Redakteur

für Bremen Next und Bremen Zwei.



 

Erschienen in Programmheft 03/2024

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